Die Arisierung Eichgrabens

Zurückgekommen ist fast niemand.“

von Pia Miller-Aichholz

„Die letzten Arisierungen wurden durchgeführt, und es ist auch der jüdische Hausbesitz bereits in arische Hände übergegangen. Hoffentlich werden die in unserem Kreise noch wohnhaften Juden ihre Zelte recht bald anderswo aufschlagen.“
Aus einem Artikel des Amstettner Anzeigers über das Novemberpogrom 1938www.doew.at)

„Wir haben ein Interesse, die Juden endgültig und baldigst bis auf den letzten Juden-Goff los zu haben.“
Aus: Land-Zeitung (Krems), Bericht vom 30. 11. 1938, kurz nach dem Novemberpogrom

Als die Nationalsozialisten in Österreich die Macht übernahmen, wurden in Eichgraben die Villen und Häuser der jüdischen Bevölkerung arisiert. Viele Juden flohen, andere schafften es mit Hilfe von Verwandten oder Freunden zu bleiben, einige mussten sich zur Deportation am Aspangbahnhof in Wien melden. Wohin die Zugfahrt für sie gehen würde, wussten sie nicht.

Elfriede Bruckmeier setzte den Juden von Eichgraben ein Denkmal, indem sie zu ihren Schicksalen recherchierte und ihre Geschichten veröffentlichte. Wir haben eine Auswahl zusammengestellt.

Ein begeisterter Gärtner

In einer Villa, die heute Villa Elisabeth heißt, wohnte Herr Kafka, ein begeisterter Gärtner. Seine nicht-jüdische Frau schaffte es, dass ihr Mann in Eichgraben bleiben konnte. Noch als Herr Kafka ganz alt war, konnte man ihn gärtnern sehen, erzählt Frau Bruckmeier.
Es ist offensichtlich, dass der heutige Besitzer die Begeisterung für den Garten teilt. Der Rasen vor der Villa ist sauber gemäht und Rosenstöcke mit Blüten in verschiedenen Farben heben sich vom Grün ab.

Arisierung unter Freunden

Camilla Primus wollte sich umbringen, um ihrem arischen Mann keine Schwierigkeiten zu machen. Der konnte sie davon abhalten und das Ehepaar kam in einem jüdischen Altersheim in der Seegasse in Wien unter. Das Haus wurde arisiert, indem sie es einer guten Freundin übergaben, die versprach, es ihnen zurückzugeben, sollte der Zeitpunkt gekommen sein. Obwohl auch das Altersheim in der Seegasse arisiert wurde, überlebten sie dort bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Nach der Befreiung eröffneten die beiden ein Reisebüro in der Rotenturmstraße in Wien. 1947 erhielten sie, wie abgemacht, ihr Haus in Eichgraben zurück.

Villa Elisabeth, früher Villa Kafka
Villa Elisabeth, früher Villa Kafka © Pia Miller-Aichholz

„Ihnen würd‘ ich sie gönnen.“

Herr Rix bat Franz Lang, Elfriede Bruckmeiers Großvater, seine Villa zu kaufen. „Ihnen würd‘ ich sie gönnen“, soll er gesagt haben. Herr Lang war der Wirt im Gasthaus zur Post in Eichgraben. Das ehemalige Gasthaus ist heute die Galerie des Ortes und das Heim des Vereines für Kunst und Kultur. Herr Lang hatte nicht das Geld dazu, eine Villa zu kaufen und wusste auch nichts mit ihr anzufangen. Das Ehepaar Rix fand schließlich doch noch einen Käufer und wanderte nach Palästina aus. Seit den 1950er-Jahren ist das Haus im Besitz einer Familie, die es über die Jahre restauriert und immer an die nächste Generation weitergegeben hat.

The folks were not interested

Von den Vertriebenen und Geflüchteten ist nach dem Krieg fast niemand zurückgekommen, sagt Elfriede Bruckmeier. Vor einigen Jahren kam eine Frau namens Judy Fox nach Eichgraben, eine Nachfahrin der jüdischen Besitzer der ehemaligen Schlosspension Herrenhof in Eichgraben – heute ist das Gebäude in Privatbesitz. Als Judy Fox nach Eichgraben kam, besuchte sie das Wienerwald Museum und stellte fest: „The folks were not interested.“ Dass Elfriede Bruckmeier zur Geschichte der jüdischen Eichgrabner recherchierte, wusste sie damals nicht. Mittlerweile stehen die beiden in E-Mail-Kontakt. Judy Fox besaß geschriebene Erinnerungen ihrer Mutter, in denen auch Eichgraben und der Herrenhof vorkommen. Die hat sie einem Museum in Tel Aviv geschenkt, bevor sie Frau Bruckmeier kennenlernte. Schade, aber, „The folks were not interested, kann man nichts machen“, sagt Elfriede Bruckmeier und lacht.

1976 reist Elfriede Bruckmeier mit ihrem Mann, dem Künstler Lothar Bruckmeier, anlässlich einer Ausstellung von Herrn Bruckmeier nach Zürich. Sie unternehmen einen Ausflug ins Stift Fraumünster, um die Kirchenfenster zu besichtigen, die Marc Chagall ein paar Jahre zuvor gestaltet hat.
Während Lothar Bruckmeier die mit buntem Glas illustrierten Bibelszenen betrachten möchte, versucht ein Mann, sich mit ihm über die Fenster zu unterhalten. Eigentlich möchte Herr Bruckmeier sein Ruhe haben – das gibt er dem Herren auch zu verstehen. Schließlich kommt das Ehepaar Bruckmeier doch mit ihm ins Gespräch. Der Mann erkundigt sich, woher die beiden kommen. „Aus der Nähe von Wien“, sagen sie. Der Herr bohrt nach und als er hört, dass sie aus Eichgraben kommen, muss er sich setzen. Elfriede und Lothar Bruckmeier erfahren, dass sein Familienname Mendelson ist und die Familie Grund in Eichgraben besessen hat. Herr Mendelson wohnt damals seit fast 40 Jahren in New York und ist Kunsthändler.

Diese Begegnung veranlasste Elfriede Bruckmeier, sich mit den Schicksalen der jüdischen BewohnerInnen Eichgrabens vor und nach dem Anschluss auseinanderzusetzen. Ihre Mutter hatte ihr immer viele Anekdoten erzählt, in denen die Namen der Familien vorkamen. Diese Namen waren erste Anhaltspunkte für ihre Recherche, bei der sie vom Institut für die Geschichte der Juden in Österreich unterstützt wurde. Elfriede Bruckmeier fand auch die jeweiligen Wohnadressen heraus. Während der Habsburgermonarchie wurden als Hausnummern Konskriptionsnummern vergeben, die sich nicht danach richteten, wo das Gebäude stand, sondern unter anderem nach dem Datum der Baugenehmigung – verwaltungstechnischen Kriterien. Um die Häuser zu finden, musste Frau Bruckmeier ihnen erst die aktuellen Adressen zuordnen.

Im „Eichgrabner“, der örtlichen Zeitschrift, veröffentlichte sie schließlich, was sie hatte herausfinden können. Frau Bruckmeier sagt, die heutigen Besitzer der ehemals jüdischen Häuser seien immer noch sehr froh, mehr über die damaligen Eigentümer zu erfahren.

 

Save

Save


Nach oben