Damals ein Flüchtlingskind

Johannes Riemer über seine Kindheit im Zweiten Weltkrieg

von Anika Suck

Johannes Riemer hat den Krieg aus der Sicht eines Kindes erlebt. Wir treffen ihn im Gasthaus Traint-Maier in Eichgraben.

Auch Riemer ist, so wie die Flüchtlinge, die heute in Eichgraben untergebracht sind, ein Vertriebener. Er wuchs nach der Aussiedlung seiner Eltern aus Döllersheim in Eichgraben auf. Sie mussten einem Truppenübungsplatz für deutsche Soldaten weichen. Wo seine Familie gelebt hatte, fuhren dann Panzer.

„Der Krieg“, wiederholt er oft, „ist etwas Furchtbares!“ Trotzdem sind viele seiner Erinnerungen an den Krieg positiv. Er erzählt zum Beispiel, wie er heimlich ausländische Radiosender gehört hat.

©Anika Suck
© Anika Suck

Frühjahr 1945. Die russischen Alliierten rücken immer näher. Der Krieg wird auf einmal viel greifbarer. Wenn man von Eichgraben aus Richtung Hochstraß blickt, sieht man die Mündungsfeuer der Front.

Anfang April kommen die ersten russischen Soldaten nach Eichgraben. Sie durchsuchen jedes Haus nach dem Feind. Am 7. April 1945 nähert sich auch ein Besatzungssoldat dem Haus von Johannes Riemers Familie.

So harmlos die russischen Frontsoldaten sind, so furchtbar sind die Plünderungen der russischen Besatzer. Sie stehlen alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Schmuck, Essen, Nutztiere, Frauen. Sie trinken. Frauen können nicht mehr alleine auf die Straße. Wenn man die Autokennzeichen der Schuldigen kennt, kann man diese vorzeigen. Das passiert allerdings so gut wie nie. In ihrer Machtlosigkeit versuchen die BürgerInnen trotzdem alles, was möglich ist. Unter ihnen ist auch Johannes Riemer, zu dem Zeitpunkt zehn Jahre alt. Er stiehlt sich nachts davon, um die Autokennzeichen der Besatzungssoldaten aufzuschreiben.

Auch Minderjährige werden auf dem Schulweg überfallen. Eine 19-Jährige wird von 21 Soldaten vergewaltigt. Johannes Riemers Eltern finden sie, zitternd über die Felder laufend und verstecken sie in ihrem Haus.

Die einzige Möglichkeit, Plünderungen und Vergewaltigungen zur Anzeige zu bringen, ist, die Täter zu identifizieren.

Weitere Erinnerungen hat Johannes Riemer in einem Bericht festgehalten. Um ihn zu lesen, klicken Sie hier!

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