Leila und der Wolf

 Leila spazierte durch den Wald. Sie war unterwegs, um ihrer kranken Oma Essen zu bringen. Dabei sang sie laut, damit das Marschieren leichter fiel. So wurde ein hungriger Wolf auf sie aufmerksam, der sich gleich die Lippen leckte, als er sie sah. Doch weil er ein schlauer Wolf war, wusste er, dass es nicht klug war sie gleich zu fressen. Wenn er geduldig war, würde es vielleicht noch mehr für ihn geben. Also trat er hinter dem Baum hervor, von dem aus er sie beobachtet hatte, und sagte: „Hallo Mädchen. Hab keine Angst, ich werde dir nichts tun. Ich habe gerade gegessen und möchte einen kleinen Verdauungsspaziergang machen. Darf ich ein Stück mit dir gehen und wir unterhalten uns?“
Leila, die ein sehr gutes Herz hatte, glaubte dem Wolf. So gingen sie zusammen weiter. „Wo gehst du denn überhaupt hin Leila?“, fragte der Wolf nach einer Weile. „Zu meiner Oma. Sie ist krank und ich bringe ihr Essen.“, antwortete sie.
„Das ist lieb von dir. Aber schau hier, die schönen Blumen! Glaubst du nicht, dass sie deine Oma aufmuntern würden?“ „Da hast du recht!“, sagte Leila und setzte ihren Korb ab, um einen großen Strauß davon zu pflücken.
Der Wolf, der genau das geplant hatte, verabschiedete sich schnell und lief hastig zum Haus der Oma vor. Die schlief gerade und so war es leicht für den Wolf, sie in einem Haps herunterzuschlucken. Dann zog er sich ihr Nachthemd an, setzte ihre Brille auf und legte sich ins Bett. So wartete er, bis Leila durch die Tür kam.
© Ella Liebhart

 „Komm näher, Leila!“, sagte der Wolf. Leila ging ein paar Schritte auf das Bett zu, doch dann blieb sie stehen und fragte: „Oma, warum hast du so eine tiefe Stimme?“ „Weil ich krank und heiser bin, Leila. Komm näher“, antwortete der Wolf.

Leila kam ein paar Schritte näher. Die Vorhänge waren zu, deswegen war es dunkel und sie konnte nicht gut sehen, aber etwas kam ihr komisch vor.
„Oma, warum hast du so große Ohren?“, fragte sie. „Damit ich dich besser hören kann, Leila. Komm näher“, antwortete der Wolf.

Leila kam noch ein paar Schritte näher. Omas Brille glänzte im Dunkeln.
„Warum hast du so große Augen, Oma?“, fragte sie.
„Damit ich dich besser sehen kann, Leila. Setz dich zu mir“, antwortete der Wolf.

Leila setzte sich auf den Sessel neben dem Bett. Sie konnte hören, dass ihre Oma schwer atmete.
„Warum hast du so eine große Nase, Oma?“, fragte sie.
„Damit ich die Blumen besser riechen kann, die du mir mitgebracht hast, Leila. Beug dich zu mir herunter“, antwortete der Wolf.

Das tat Leila. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihre Oma so spitze Zähne hatte.
„Warum hast du so einen großen Mund, Oma?“, fragte sie.
„Damit ich dich besser fressen kann, Leila!“, rief der Wolf, und sperrte sein Maul auf, um sie hinunterzuschlucken.

Doch Leila hatte ihn längst durchschaut und klemmte ihm ihren Wanderstock zwischen die Zähne, sodass er seinen Mund nicht mehr zubekam. Dann half sie ihrer Oma, aus dem Schlund des Wolfes herauszuklettern und jagte den Bösewicht aus der Türe.

Und als der es nach Stunden endlich schaffte, den Stock aus dem Maul zu bekommen, schwor er sich, ab jetzt Vegetarier zu sein.

 

 

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