„Ich bin ein Sonderkind Gottes“

Bomben an der Ostfront – Ernst Eisner überlebt

von Pia Miller-Aichholz

Am 15. November 1941 startet die 2. Panzerdivision der Wehrmacht eine Offensive in Richtung Moskau. Ernst Eisner ist damals 19 Jahre alt. Aus der Maturaklasse der Theresianischen Akademie in Wien ist er in den Krieg einberufen worden. Nun ist er als Leutnant für die Wehrmacht 60 Kilometer westlich von Moskau unterwegs, 1872 Kilometer von zu Hause entfernt. Syrische Flüchtlinge in Österreich haben einen ungefähr 1000 Kilometer längeren Weg hinter sich. Auch Kinder, viele nicht älter als 10 Jahre, sind alleine unterwegs. Ohne Familie oder Bezugsperson.

Eisner, der 19-jährige Maturant, führt einen Panzer III – von Daimler-Benz entwickelt, Besatzung 5 Mann, 5,50 Meter lang, fast 3 Meter breit, 2,50 Meter hoch, je nach Ausführung 15 bis 23 Tonnen schwer. Das war 1941/42 das wichtigste Panzermodell der Wehrmacht an der Ostfront.

In so einem Panzer werden Ernst Eisner und seine Kameraden am 16. November 20 Meter weit durch die Luft geschleudert. Das massive Fahrzeug wird durch die Wucht in Unterteil – das Getriebe – und Oberteil zerlegt. Herr Eisner schlägt mit dem Kopf gegen den Deckel des Geschützturmes.

Noch heute besitzt Ernst Eisner zwei Fotos vom Panzerwrack. Sein Stellvertreter, Feldwebel Zimmermann, ein begeisterter Fotograf, fuhr sofort zum Ort des Geschehens und schoss Fotos.

An die 3 Monate nach dem Vorfall hat Herr Eisner selbst überhaupt keine Erinnerung. Er hatte schwere Kopfverletzungen erlitten. Sein schütteres, schneeweißes Haar bedeckt nur mehr dürftig die Narbe und das Relief in der Schädeldecke, wo sie zertrümmert wurde.

Er kann nur das nacherzählen, was ihm nach seiner Genesung andere berichtet haben. Mit dem Lazarettzug wurde er von der Ostfront weggebracht. In Smolensk, knapp vor der heutigen Grenze Russlands zu Weißrussland, hielt der Zug und lud alle Schwerstverletzten und Sterbenden aus. Der Platz war zu kostbar, um Passagiere mitzunehmen, die die Fahrt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht überlebt hätten.
Als er nach 8 oder 14 Tagen nicht gestorben war, erzählt Herr Eisner, wurde er wieder in einen Lazarettzug eingeladen und eigenen Angaben nach bis nach Mönchengladbach gebracht, wo er in einem Krankenhaus des Karmeliterordens versorgt wurde.

Sein Vater schaffte es schließlich, seinen Sohn nach Wien ins Allgemeine Krankenhaus zu holen. „Das muss im Februar 1942 gewesen sein.“
Dort war zu der Zeit Professor Dr. Leopold Schönbauer Vorstand der I. Chirurgischen Universitätsklink. Er führte während des Nationalsozialismus Zwangssterilisationen durch und bekam 1943 das „Silberne Treuedienstabzeichen“ der NSDAP verliehen. Er gilt aber auch als Begründer der Neurochirurgie in Österreich und als Retter des Allgemeinen Krankenhauses.
Und er rettete Ernst Eisner.

Nicht nur das, nach 10 bis 15 Jahren würde Herr Eisner von seiner Verwundung nichts mehr spüren, versprach Dr. Schönbauer. Herr Eisner glaubte nicht daran. In 10 bis 15 Jahren sah er sich längst unter der Erde. Aber die Wundertat, wie er seine Heilung bezeichnet, gelang – auch mit Hilfe von Frau Bruckmeiers Vater, der zum Operationsteam gehörte. Ernst Eisner ist mittlerweile 94 Jahre alt.

(c) Ernst Eisner
Der Oberteil des zerstörten Panzers © Feldwebel Zimmermann

 

(c) Ernst Eisner
Unterteil des Panzers mit Getriebe © Feldwebel Zimmermann

 

Ernst Eisner ging in Traiskirchen in die Mittelschule. Anfangs hieß die Schule BEA, Bundeserziehungsanstalt. Nach dem Anschluss wurde sie zu einer NAPOLA, einer Nationalpolitischen Erziehungsanstalt. „Nazihochschule, so ungefähr.“ Deshalb wird Ernst Eisner immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. „Na, dann waren Sie auch so ein Nazi“, sagte einmal ein Mann zu ihm. Daraufhin haute Herr Eisner ihm eine runter. „Weil ich es nicht ertrage, dass einer Dinge erzählt, die nicht wahr sind. Und der Mensch bin ich noch immer.“
In dem ehemaligen Schulgebäude in Traiskirchen ist heute die Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge untergebracht.

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