von Katharina Belihart

Wie eine kleine Ortschaft im Wienerwald vorgezeigt hat, wie Integration funktionieren kann.

Es war der Nikolaustag 2014, daran erinnert sich Volksschullehrerin Heidemarie Dürmoser noch genau. Zu diesem Zeitpunkt hat ihr ihre Direktorin eröffnet, dass bald ein neuer Schüler aus dem Irak in ihre Schule kommen würde. Ein Flüchtlingskind, das allererste in der 4500-Einwohner-Gemeinde Eichgraben rund 30 Kilometer westlich von Wien.

Wenig später war der Neuankömmling namens Sajad auch schon da. Gemeinsam mit seinem Vater war der Zehnjährige nach Österreich gekommen und wurde der Klasse von Heidi Dürmoser zugeteilt.

Hilfsbereitschaft von Anfang an

Wenn man das Internet nach Reaktionen auf Flüchtlingskinder in österreichischen Schulklassen durchforstet, stößt man in letzter Zeit oft auf Misstrauen und Argwohn. Eltern sorgen sich, wollen nicht, dass geflüchtete Kinder zu ihren eigenen in die Klasse kommen. In Eichgraben war das nicht der Fall – im Gegenteil: „Ganz am Anfang, als Sajad nach Eichgraben gekommen ist, haben die Eltern seiner Klassenkollegen angerufen und gefragt, was er braucht. Am nächsten Tag sind zwei Kinder in die Schule gekommen mit großen Plastiksackerln mit Stiften, Heften und Zeichensachen für ihn“, erinnert sich Heidi Dürmoser.

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Volksschullehrerin Heidemarie Dürmoser beim Interview in ihrer Klasse

Von da an war das Eis zwischen dem jungen Iraker und seinen neuen Klassenkameraden gebrochen. „Er ist ein lieber Bub, sehr offen und freundlich. Er hat sich schnell eingelebt.“ Was dem Jungen das Eingewöhnen sicherlich erleichtert haben dürfte: Er ist ein talentierter Fußballer und hat bald begonnen, in der U10 des örtlichen Fußballvereins mitzuspielen.

Aber nicht nur der 10-jährige wurde gut in der Gemeinde aufgenommen. Auch seinem Vater Wesam ging es ähnlich. Mithilfe des Vereins „Mosaik“, der in Eichgraben alle Flüchtlingsaktivitäten koordiniert, konnte er Deutschkurse machen und hat Anschluss an die Bevölkerung gefunden.

 „Ich bin ihr gleich um den Hals gefallen“

Bei allem Engagement der Eichgrabener Bevölkerung gab es aber lange Zeit ein Problem, dass selbst die findigsten Helfer nicht lösen konnten: Sajads Mutter und seine Schwester waren noch im Irak.

Doch im Herbst 2015 schafften es auch diese beiden nach Österreich und wieder setzte sich die Eichgrabener „Hilfs-Maschinerie“ in Bewegung. „Als ich erfahren habe, dass sie da sind, hab ich gleich eine Rund-SMS an alle Eltern geschickt“, erinnert sich Heidemarie Dürmoser, als sie sichtlich gerührt an diesen Tag zurückdenkt.

Und die Eltern ihrer Schüler waren – wie schon ein Jahr zuvor – zur Stelle.  „Mir haben die Kinder in der Schule gesagt, ihre Mama ist gerade einkaufen, was denn das Mädchen für eine Kleidergröße hat, sie wollen ihr etwas mitbringen.“

Aber auch Dürmoser selbst war nicht untätig. „Ich bin gleich einkaufen gefahren, hab Essen und Toilettenartikel und Barbiepuppen gekauft und die Sachen Montag Früh noch vor der Schule bei ihnen daheim abgeliefert. Die Mutter hat mich nicht gekannt, aber ich bin ihr gleich um den Hals gefallen weil ich mich so gefreut hab, dass sie endlich da ist. Die wird sich was gedacht haben“, meint sie und muss bei der Erinnerung daran lachen.

Mittlerweile hat sich die irakische Familie in Eichgraben gut eingelebt, Eltern und Kinder haben Freunde gefunden. Der Vater ist bereits als Flüchtling anerkannt und auf Jobsuche.  Ganz alleine lässt sich das Leben in Eichgraben aber noch nicht finanzieren, deswegen bekommt die Familie für große Kostenpunkte, wie etwa die Schulausbildung der Kinder, noch Unterstützung. So wurde es auch ermöglicht, dass der zehnjährige Sajad vor ein paar Wochen mit auf Projektwoche in die Nähe von Mariazell fahren konnte. Dort konnte er noch mehr von dem Land kennenlernen, das für ihn und seine Familie eine neue Heimat geworden ist.


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