Schwester Henriette und Schwester Theresia

„Wir waren eine Gemeinschaft“

von Corinna Berger

 Schwester Theresia Schwendtner und Schwester Henriette Egger sind Ordensschwestern des Franziskanerordens im Stift Seitenstetten. Vor der Schließung des Klosters Stein in Maria Anzbach haben beide viele Jahre dort gelebt. Die beiden erzählen im folgenden Interview über ihre Zeit als Novizinnen, über ihre Ansichten zum Kloster als Flüchtlingsunterkunft und über ihre Zukunftswünsche.

Wann sind Sie beide ins Kloster eingetreten?

Sr. Theresia:
Ich bin 1962 ins Annunziatakloster eingetreten. Dann war ich für längere Zeit weg und bin erst 2007 wieder zurückgekommen. Da war ich dann bis zur Schließung.

Sr. Henriette:
Ich bin 1951 ins Annunziatakloster eingetreten. Ich habe dort mein Noviziat gemacht und war dann zwei Jahre in Wien. Nach den ersten Gelübden kam ich in den Dom ins Generalat. Von dort aus wurde ich nach Japan geschickt. Dort war ich zehn Jahre lang und bin erst später wieder nach Wien zurückgekehrt.

Sr. Henriette Egger und, Sr. Theresia Schwentner © Madeleine Gromann
Wie war denn der Tagesablauf im Kloster? Hat man gemeinsam gefrühstückt?Sr. Theresia:
Im Annunziatakloster hatten wir damals noch eine große Landwirtschaft. Sehr viele Schwestern haben in der Landwirtschaft gearbeitet. Die mussten sehr früh aufstehen, spätestens um fünf Uhr. Und um sechs Uhr war dann schon das Gebet und um sieben war die Heilige Messe. Erst danach ist man frühstücken gegangen.
Nach dem Frühstück haben die Schwestern, die in der Landwirtschaft tätig waren, noch das Gebet gemacht und sind dann wieder aufs Feld gegangen. Wir waren eine Gemeinschaft, wir haben versucht, alle dasselbe Leben zu leben.
Sr. Henriette:
Wir hatten außerdem die Anbetung. Jede Schwester hat eine halbe Stunde Anbetung gemacht. Das ging den ganzen Vormittag.Sr. Theresia:
Damals ist sogar noch durchgebetet worden. Da gab es keine Mittagspause. Man hat bis Abends um sechs Uhr durchgebetet.
Wir waren immer zu zweit auf dem Betstuhl. Alle halben Stunden haben wir uns abgewechselt. Damals hat man sogar noch einmal im Monat bei Nacht die Anbetung gehabt. Da hat man eine Stunde gebetet und ist dann abgelöst worden.
Schwestern bei der Arbeit im Landwirtschaftsbetrieb © Sr. Theresia Schwentner
 Haben sie einen Lieblingsort gehabt im Kloster?Sr. Theresia:
Das war für die Meisten die Kapelle.Sr. Henriette:
Die Kapelle war schon sehr schön. Und auch der Wald und der Friedhof. Man wusste, dass da unsere letzte Stätte ist. Er wurde auch immer schön gepflegt. Unsere Schlafzimmer waren im Gegensatz ganz einfach. Die waren noch mit Vorhängen abgeteilt.Sr. Theresia:
Es waren eigentlich Schlafsäle. In meinem Noviziat waren wir zu acht in den Räumen. Auf jeder Seite vier. Jeder hatte nur ein Bett, ein Nachtkästchen und ein Stockerl, dann kam schon der nächste Vorhang.
K1600_5
Kapelle im Annunziatakloster, Lieblingsort der Schwestern © Sr. Theresia Schwentner

Hatten Sie auch Nachtruhe zu einer bestimmten Uhrzeit?

Sr. Theresia:
Oh ja, Nachtruhe gab es. Direkt nach dem Abendessen hatten wir eine Erholungsstunde. Wir sind zusammengesessen und haben geplaudert. Und zu einer gewissen Zeit gab es ein Gebet und danach ist man schlafen gegangen. Da wurde das Licht abgedreht und gesprochen wurde nichts mehr. Höchstens im Traum.

Wie viele Schwestern waren denn im Haus?

Sr. Theresia:
Zu meiner Zeit waren wir 80 Schwestern. Aber insgesamt sind 1001 Schwestern im Haus ausgebildet worden. Und die tausendunderste Schwester ist im Moment bei den Eskimos.

Was macht sie dort?

Sr. Henriette:
Die macht dort fast alles, was ein Priester macht, außer Eucharistiefeier und Beichte.

Hat man auch gemeinsam Ausflüge gemacht mit den Schwestern? Zum Schwimmen zum Beispiel?

Sr. Theresia:
Ach, beim Schwimmen, da fällt mir was ein. Ich musste vom Arzt aus schwimmen gehen. Ich hab ganz zögernd der Provinzoberin gesagt, dass der Doktor gesagt hat, ich solle schwimmen gehen. „Ah, sehr gut!“, hat sie daraufhin gesagt. Sie ist nämlich früher selber sehr gerne schwimmen gegangen. Und dann hat sie das gleich organisiert. Zuerst nur wir zwei und dann sind auf einmal immer mehr Schwestern dazugekommen.

Sr. Henriette:
Also bei mir im Noviziat gab es das noch nicht. Das wäre unmöglich gewesen aber als ich in Frankreich in der Bretagne war, sind wir manchmal ans Meer gegangen.

Sr. Theresia:
Ansonsten sind wir manchmal zu einer Einkleidung gefahren. Aber die meisten Ausflüge habe ich eigentlich mit den Kindern gemacht. Ich war 30 Jahre lang im Kindergarten tätig.

 

Wie läuft denn eine Einkleidung ab?

[Anm.: Eine Einkleidung ist die Übergabe des Ordensgewandes an ein neues Mitglied der Gemeinschaft.]

Sr. Theresia:
Am Anfang ist man Postulantin. Als Postulantinnen waren wir schwarz gekleidet. Bei der Einkleidung haben wir ein weißes Kleid bekommen. Da war man wirklich als Braut angezogen. Sogar mit Schleppe. Mit den Haaren ist einem ein Kreuzchen geflochten worden, das dann abgeschnitten wurde. Und das restliche Haar ist dann auch abgeschnitten worden. Ich hatte ganz lange Haare.
Es ist ein Symbol dafür, dass man alles hinter sich lässt. Das Haar ist ja das Schöne an der Frau. Und das muss man hinter sich lassen. Mir hat das schon ein bisschen wehgetan, als sie meinen dicken Zopf abgeschnitten haben. Er war so dick, dass man den Zopf fast nicht durchschneiden hat können. Und dann bekam man den Schleier.

Sr. Henriette:
Da war man dann froh, dass die Haare weg waren.

Sr. Theresia:
Da war man tatsächlich froh, weil sonst kam man mit dem Schleier gar nicht zurecht. Und von da an hat man nur noch diese Kleidung getragen.

Gibt es noch etwas, das Ihnen aus Ihrer Zeit im Kloster besonders in Erinnerung geblieben ist?

Sr. Henriette:
Als ich eingetreten bin, war das noch knapp nach den Russen. Da waren die Russen einquartiert und das Kloster war noch ein Feldlazarett. Alle Böden waren damals noch richtig schwarz und geschmiert. Wir mussten fast täglich die Böden reiben und einlassen.
Und dann später waren im Advent und zu Weihnachten manchmal Konzerte.

Sr. Theresia:
Es war eigentlich immer sehr viel los, wir können gar nicht sagen, dass wir abgeschottet waren, weil sehr viel dort stattgefunden hat.
Die Eichgrabener konnten am Fronleichnamstag gar nicht ihre Prozession machen, weil alle bei uns oben waren. Die Prozession haben sie immer erst am Sonntag danach gehabt.
Außerdem gab es zu Fronleichnam Blumenteppiche, die wir gemacht haben.

K1600_6
Eine Einkleidung © Sr. Theresia Schwentner

Sr. Henriette:
Um die Blumenteppiche zu machen, mussten wir schon um vier Uhr morgens anfangen. Es mussten alle Konturen mit Moos ausgelegt werden.

Sr. Theresia:
Es waren ja Kilometer, die wir gelegt haben!
Einmal gab es in der Nacht auf den Fronleichnamstag ein Gewitter und alles ist weggeschwemmt worden.

Im Kloster sind nun Flüchtlinge untergebracht. Was denken Sie darüber, dass es jetzt eine Flüchtlingsunterkunft ist?

Sr. Theresia:
Ich hab gesagt: „Gott sei Dank geschieht etwas mit dem Haus.“ Es stand eh schon fünf Jahre leer. Natürlich, was man so hört bedauern manche das sehr. Sie sagen, dass das Kloster ein bisschen verwüstet wird.

Sr. Henriette:
Es ist halt eine andere Kultur. Aber besser es ist jemand drinnen, als es steht leer.

Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?

Sr. Theresia:
Wünschenswert wäre, dass sich alles positiver entwickelt.

Sr. Henriette:
Momentan liegt eine große Veränderung in der Luft. Es fühlt sich so an, als ob ein Jahrhundert zu Ende gehen würde. Und jetzt muss etwas Neues beginnen.
Heutzutage meinen alle, sie hätten alles selber gemacht. Aber, dass es ein Geschenk ist von oben, das vergessen viele.


Lesen Sie hier über Pfarrer Seiwald, und wie er es schaffte, den Menschen in der Nachkriegszeit Hoffnung zu spenden.

K1600_7
Blumenteppich zu Fronleichnahm © Sr. Theresia Schwentner

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Nach oben