Die Landmaus und die Strandmaus

Es gab einmal eine kleine Landmaus. Zu ihrem Geburtstag hatte sie ein Fahrrad bekommen und sie freute sich wahnsinnig darüber. Natürlich musste sie es sofort ausprobieren. Zuerst gelang es ihr noch nicht so recht, doch sie übte fleißig und schon bald fuhr sie los. Es machte ihr so viel Spaß, dass sie gleich auf einen Berg fahren wollte. Die Kurven wanden sich steil aufwärts, und die Landmaus trat fest in die Pedale. Sie wollte unbedingt wissen, was auf der anderen Seite des Berges war.

Oben angekommen erkannte sie am Horizont das Meer. Sie sauste wie der Blitz die Straße hinunter und kam an den Strand. So etwas hatte sie noch nie gesehen, und sie war begeistert.
Aber da war schon jemand! „Hallo, ich bin die Landmaus und wer bist du?“, fragte sie. „Ich bin die Strandmaus! Schön, dich kennen zu lernen. Möchtest du eine Sandburg mit mir bauen?“
Die beiden verstanden sich prächtig und spielten stundenlang zusammen.

Doch dann fing es an zu regnen. „Ich habe hier in der Nähe mein Mauseloch, willst du heute bei mir schlafen?“, fragte die Strandmaus ihren neuen Freund.
Die Landmaus wollte das sehr gerne und so machten sie sich auf den Weg.
Oh nein! Vor dem Mauseloch schlief ein großer Hund!

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©Ella Liebhart

Die beiden Mäuse hielten den Atem an und huschten ganz leise an ihm vorbei. Und weil sie so gut im Schleichen waren, schafften sie es und kamen in das trockene, warme Zuhause der Strandmaus, wo sie schnell einschliefen.
Schon bald wachte die Landmaus wieder auf, denn irgendjemand klopfte an die Wände des Baus. „Strandmaus, wach auf!“, flüsterte sie. „Was ist denn, Landmaus?“
„Da draußen klopft jemand! Was, wenn es der große Hund ist?“
„Nein, Landmaus. Das sind nur die Regentropfen, die auf das Dach prasseln.“, murmelte die Strandmaus verschlafen und schlief sofort wieder ein. Das beruhigte die Landmaus und auch sie legte sich wieder hin.

Am nächsten Morgen war der Himmel wieder strahlend blau und der nasse Boden getrocknet. Die Landmaus und die Strandmaus beschlossen, gemeinsam auf eine Reise zu gehen. Sie bauten ein Floß.
Als es nach langer, harter Arbeit fertig war, setzen sie sich darauf und fuhren los auf das offene Meer.
Nach einer langen, lustigen Fahrt kamen sie auf eine Insel. Es war schon wieder Abend geworden und die beiden Mäuse suchten sich ein Plätzchen zum Schlafen. Hoch in den Wedeln einer Palme entdeckten sie ein Baumhaus. Sie kletterten den Stamm hinauf. Heute Nacht schlief selbst die Landmaus die ganze Nacht durch, denn Seefahrt macht müde.

Das Floß der beiden Mäuse war leider in der Nacht von der Strömung weggespült worden. Die Freunde überlegten angestrengt, wie sie wieder von der Insel wegkommen sollten und beschlossen, über den großen Berg in der Mitte der Insel auf die andere Seite zu klettern. Am Gipfel des Berges angekommen, entdeckten sie, dass auf der anderen Seite eine Stadt lag. Sie gingen hinunter ins Tal und kamen schließlich im Hafen an. Doch hier wimmelte es nur so von streunenden Katzen!

Um nicht entdeckt zu werden, flüchteten die Mäuse in die Kanalisation. Dort stank es zwar ein bisschen, aber die beiden Freunde fühlten sich sicher und wollten nach der langen Wanderung eine Weile ausruhen.
Während sie sich unterhielten, fing es draußen wieder zu regnen an. Nach einiger Zeit fragte die Strandmaus: „Findest du auch, dass das Wasser hier drinnen gestiegen ist?“
„Nein“, sagte die Landmaus. „Das bildest du dir ein.“
Aber die Strandmaus hatte recht, und bald stand ihnen das Wasser schon bis zu den Barthaaren.
Es wurde immer mehr und mehr, und irgendwann war es so tief und der Strom so reißend, dass die Mäuse sich nicht mehr festhalten konnten. Zum Glück waren sie beide gute Schwimmer und so spülte sie das Wasser mit sich ins Meer. Sie landeten direkt im Hafenbecken. Nur wenige Meter neben ihnen lag ein großes Schiff vor Anker, und sie kletterten an der Ankerkette hinauf an Bord. In dem Moment, in dem sie oben angekommen waren, wurde die Kette auch schon hochgezogen und das Schiff legte mit einem lauten Hupen ab.

Auf dem Schiff gab es viele Orte, in denen sich die Freunde verstecken konnten. Und das war gut so, denn eine besonders große Katze bewachte das Deck und vor allem die Küche, aus der sie sich immer wieder Essen stibitzen mussten.
Nach einer langen Fahrt legte das Schiff in Grünland an. Dort war es ganz anders als überall sonst, wo die beiden Mäuse bisher gewesen waren. Obwohl es der allerwärmste Tag im Jahr war, war ihnen bitterkalt. Das lag unter anderem daran, dass in Grünland die Sonne nicht oft schien. Und natürlich konnten deswegen auch nicht so viele Pflanzen wachsen, was es ihnen schwierig machte, Essen zu finden.
Als sie auf ihrer Suche den Strand entlangliefen, begegnete ihnen plötzlich eine andere Maus! „Willkommen in Grünland!“, rief sie fröhlich. „Ich gebe hier am Strand eine Party, zur Sommersonnwende! Ihr seid herzlich eingeladen!“
Und natürlich ließen sich die Landmaus und die Strandmaus das nicht zweimal sagen!
Die Party war toll. Sie bekamen etwas zu Essen und die Partymaus unterhielt sich den ganzen Abend mit ihnen. Diese Maus konnte wirklich feiern! Die Landmaus musste besonders laut über ihre Witze lachen, und im Laufe des Abends verliebten sich die Landmaus und die Partymaus ineinander. Als die meisten Gäste schon gegangen waren, unterhielten sie sich darüber, wie schwierig es war, in Grünland Essen zu finden. Da hatte die Partymaus, die sehr klug war, eine gute Idee: „Wie wäre es, wenn wir ein Gewächshaus bauen!“
Die anderen beiden waren begeistert. „Aber dafür müssen wir Pflanzensamen sammeln, ganz verschiedene, von Obst und Gemüse, damit wir viele Vitamine bekommen“, sagte die Strandmaus. Und so schmiedeten sie einen Plan: die Landmaus und die Strandmaus würden wieder auf Reisen gehen, um Samen aus aller Welt zu sammeln, während die Partymaus in Grünland bleiben und das Gewächshaus bauen wollte.
Am nächsten Tag bestiegen die beiden Abenteurer wieder ein Schiff. Dort gab es eine Katze, die viel schneller und schlauer war als die auf dem vorherigen, weswegen die Mäuse ihr Versteck im Maschinenraum nicht oft verlassen konnten. Doch zum Glück gab es dort einen netten Maschinenmann, der sich schnell mit ihnen angefreundet hatte und ihnen jeden Tag Käse brachte.

Nach vielen Tagen legte das Schiff in Belém in Brasilien an, an der Mündung des großen Amazonas Flusses. Die Mäuse, die es kaum erwarten konnten, wieder Land unter den Pfötchen zu spüren, starteten los, zu einem Ausflug auf die Île de Marajó, die größte Insel des Landes. An ihr vorbei fließt der Amazonas ins Meer. Dort trafen sie weiße Delfine, die fröhlich durchs Wasser sprangen. Doch während sie ihnen zusahen, kam plötzlich ein Mann, der versuchte, die Delfine ins seichte Wasser zu locken. „Dort stranden sie doch! Der böse Mann will ihnen etwas tun!“, rief die Strandmaus aufgebracht. „Wir müssen die Polizei rufen!“
Die kam dann auch angeritten, und zwar auf Wasserbüffeln, wie es auf der Île de Marajó üblich ist. Die Polizisten nahmen den bösen Mann fest und die Delfine waren den Mäusen so dankbar, dass sie ihnen unbedingt auf ihrer Suche nach Pflanzensamen helfen wollten. Sie erzählten ihnen, dass es entlang des Amazonas viele seltene Pflanzen gibt, woraufhin sich die Mäuse bedankten und gleich auf den Weg machten. Die Delfine erzählten all ihren Freunden davon, wie die Landmaus und die Strandmaus sie gerettet hatten, und so konnten diese während ihrer Reise von nun an immer auf die Hilfe der weißen Delfine zählen, wenn sie in der Patsche saßen. Sie wanderten flussaufwärts, wo sie wirklich viele Samen fanden, die sie nach Grünland mitnehmen wollten. Besonders die Landmaus vermisste die Partymaus schon sehr.

Und wer hören will, wie die Geschichte weitergeht, darf vorher nicht einschlafen!

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